Über mich
Mein Name ist Fereshta Ludin. Ich bin eine Frau mit internationaler Geschichte. Meine Eltern kommen aus Afghanistan und brachten mich als fünftes und jüngstes Kind in Kabul/Afghanistan zur Welt. Mit vier Jahren verließen wir Kabul, da mein Vater als Botschafter zu Bonn ernannt wurde. Meine Mutter war zuvor viele Jahre eine geschätzte und erfahre Lehrerin in Afghanistan. Als Ende der siebziger Jahre Afghanistan die Sowjetunion einmarschierte gab mein Vater seinen Job als Botschafter auf. Für eine kommunistische Regierung in Afghanistan wollte er nicht arbeiten. Ab diesem Zeitpunkt waren wir als Familie auf der schwarzen Liste der Kommunisten in Afghanistan und konnten seither auf Grund der anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzung im Land nicht mehr zurück. Meine Eltern verließen Deutschland und reisten nach Saudi-Arabien, um dort die Pilgerfahrt zu verrichten. Kurze Zeit später verstarb mein Vater und wir konnten das Land nicht mehr verlassen.
Einige Jahre danach haben meine Mutter, meine Geschwister und ich Saudi-Arabien verlassen. Nach acht Jahren Aufenthalt in Saudi-Arabien lebte ich wieder in Deutschland. Ich ging in Hessen zur Schule, studierte und schloss mein erstes und zweites Staatsexamen in Baden-Württemberg ab. Ende der 90er zog ich nach Berlin, wo ich als Lehrerin zu arbeiten begann. Inzwischen war Deutschland meine neue Heimat geworden. Ich lernte es kennen und lieben.
Das Leben in Deutschland zog mich besonders deshalb an, weil ich in Freiheit, Demokratie und Würde leben wollte. Als Frau war es mir ein besonderes Anliegen, mich frei entfalten und meinen Glauben frei, ohne gesellschaftlichen und staatlichen Druck, leben zu können.
Bildung, Frauenrechte, Emanzipation und Selbstbestimmung waren Themen, die mich seit meiner Kindheit intensiv beschäftigt und bewegt haben. Mein Glaube war stets ein besonderer Bestandteil meiner inneren Identität, die allmählich in mir wuchs und mir viel Stabilität, Sicherheit, Ruhe und Zuversicht gab. Die höchste Form der Spiritualität findet im Herzen des Menschen statt. Die Art, entsprechend zu leben und sich zu kleiden, ergänzt dieses Gefühl und gibt mir eine innere Ruhe. Das Tuch, das ich trage, passt meistens zu meiner Kleidungsweise und hat weder einen politischen Hintergrund, noch soll es eine Aufforderung sein, dass andere Mädchen oder Frauen es ebenso tragen müssen. Eine Frau kann sich mit oder ohne Tuch verwirklichen, selbstbestimmt und emanzipiert entwickeln, sofern ihr die familiären, gesellschaftlichen oder strukturellen Bedingungen es ermöglichen.
In Deutschland erfuhr ich, wie in einer offenen Gesellschaft von einigen Menschen und Machtstrukturen Frauen wie mir, die durch das Tragen der Kopfbedeckung als muslimisch sichtbar sind, die Teilhabe und der Zugang zu öffentlichen Arbeitsstellen verwehrt wird. So musste ich im Rahmen von Praktika, dem Studium, dem Referendariat und später bei der Anstellung als Lehrerin zahlreiche Hürden, Anfeindungen und Berufsverbote aufgrund dessen, dass ich ein Kopftuch in der Öffentlichkeit trug, meistern.
Drohungen, Hassbriefe, Fundamentalismus-, Islamismus- und Terrorismusverdächtigungen und viele feindselige mediale und politisch motivierte Diskriminierungen, Ausgrenzungen und Verbannungen aus der öffentlichen Teilhabe haben mich viele Jahre intensiv begleitet. Der Hass, der mir entgegengebracht wird, ist vor allem seitens Kopftuchgegner: innen, rechtspopulistischen Gruppierungen und Akteur:innen bis heute präsent.
Die Tatsache des Berufsverbots ohne jegliche gesetzliche Grundlage veranlasste mich dazu, nach meinem Referendariat im Alter von Mitte Zwanzig gerichtlich gegen Diskriminierung, strukturelle Ausgrenzung und insbesondere antimuslimischen Rassismus vorzugehen. Dies war das einzige, staatlich legitime Mittel, um gegen jene Diskriminierung vorzugehen und meinen Beruf als Lehrerin ergreifen zu können. Meinen Schritt in dieser Richtung, mich bis zum Bundesverfassungsgericht zu begeben und die mediale Begleitung der Prozesse, hat mir einerseits persönlich viele Feindschaften verschafft, andererseits eine tiefere gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit dem Thema Diskriminierung, antimuslimischen Rassismus, sowie Reflexion über die mediale Darstellung von Muslimen auf Grund der sichtbaren Glaubensüberzeugung ermöglicht. Auch der Diskurs und die lebhafte Debatte über eine offene Gesellschaft nahm seither zu.
Die sogenannte Kopftuch-Debatte, welche seit Ende der 90er Jahre in Deutschland als Stellvertreterdebatte für viele Themen, wie den Umgang mit „Fremden“, „Integration“, „Neutralität des Staates“ etc., geführt wird, nimmt bis heute kein Ende. Mittlerweile ist sowohl der Rechtsextremismus als auch Extremismus im Allgemeinen, sowohl religiös wie antireligiös innerhalb unserer Gesellschaft gewachsen und zusätzlich der Hass gegenüber Muslimen sichtbarer und salonfähiger geworden. Bedingt durch die persönlichen Erfahrungen vieler betroffener Menschen, ist es umso mehr die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, sich gegen Hass, Hetze und strukturellen Rassismus zu äußern, sich dagegen zu positionieren und zu handeln.
In meiner Autobiografie, die ich gemeinsam mit der Autorin Sandra Abed verfasst habe, beschreibe ich einen Hauch dieser Erfahrungen, die authentisch, interessant und aufschlussreich nahegelegt werden. Die Grundlage für meine Berichte, Erzählungen und Gedanken im Buch sind meine Tagebucheinträge seit meiner Jugend.
Mein Buch erschien im April 2015 im Deutschen Levante Verlag, Berlin.
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